Raven Advanced Progressive Matrices
Abkürzung: APM
Hintergrund
Die Advanced Progressive Matrices (APM) von John C. Raven sind ein anpruchsvolleres Alternativverfahren zu den Standard Progressive Matrices (SPM). Ausgangsbasis für ihre Entwicklung war die geringe Differenzierungskraft der SPM im oberen Quartil der Testwerteverteilung, vor allem bei überdurchschnittlich begabten Jugendlichen und Erwachsenen. Die erste Fassung der APM stammt aus dem Jahr 1943 und wurde zur Personalauslese im militärischen Bereich entwickelt. Zwischen 1947 und 1962 wurde der Test mehrfach umgearbeitet und analysiert. Seit 1962 liegt er in der heute üblichen Version vor1).
Die APM werden sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen eingesetzt. Im Rahmen von TDB2Online wird nur die Anwendung bei Erwachsenen behandelt.
Die Testbeschreibung der Standard Progressive Matrices ist etwas ausführlicher gehalten als die vorliegende der APM, dort ist auch ein Beispiel für die Art der Aufgaben zu finden.
Testmaterial
Die APM bestehen aus zwei Teilen (Set I und Set II), deren Aufgaben in zwei separaten Testheften veröffentlicht sind. Zu beiden gibt es einen separaten Antwortbogen. Teil I besteht aus 12 eher leichten Aufgaben, die als Lern- und Aufwärmmaterial für den Teil II verwendet werden. Wie bei den SPM bestehen die Aufgaben aus unvollständigen geometrischen Figuren oder Mustern, die aus jeweils acht Antwortalternativen (multiple choice) ergänzt werden sollen. Die 36 Aufgaben von Teil II sind in ihrer Darbietung und Grundstruktur mit dem ersten Teil vergleichbar, jedoch wesentlich komplexer. Normalerweise wird nur die Summe der richtigen Lösungen im Teil II als Testwert verwendet.
Die derzeit aktuelle Versione des Originalverfahrens ist 19982) erschienen. Nach Verlagswechsel und Fusion wird es in unveränderter Form zur Zeit von Pearson Assessment in San Antonio, TX, produziert und vertrieben.
Eine erste deutsche Version von Kratzmeier und Horn erschien 1980 bei Beltz Test3). Sie enthielt deutsche Normen lediglich für 15- und 16-Jährige, wobei abweichend von der normalen Auszählung beide Testteile Einzug in den Summenwert fanden.
Im Rahmen der Gesamtausgabe der Raven-Tests durch den Swets Test Service (später Harcourt Test Service, jetzt Pearson Assessment & Information GmbH, alle in Frankfurt/Main) erschienen 1998 die APM in der Bearbeitung von Bulheller und Häcker4). Das ist die derzeit aktuelle deutsche Version. Sie enthält deutsche Normen von 1997, im Wesentlichen allerdings für Schulkinder ab 13 Jahre und für Studierende. Die Altersklassen über 30 sind vergleichsweise dünn, die über 40 sehr dünn besetzt. Die Stichprobe zielt nicht auf Repräsentativität ab und ist insofern für allgemeine Normierungszwecke bei Erwachsenen nicht verwendbar.
Aktuell wird die zuerst bei Swets Test Service erschienene deutsche Version von Pearson Assessment & Information in Frankfurt verlegt. Sie sind direkt dort oder über die Testzentralen in Deutschland oder der Schweiz zu beziehen. Zur Durchführung der APM braucht man auf jeden Fall die beiden Testhefte (Set I und Set II) und die zugehörigen Antwortbögen. Eine zumindest kursorische Kenntnisnahme des Inhalts des deutschen APM-Manuals5) ist notwendig, auch wenn es vielerlei Theoretisches und praktisch keine direkt verwendbaren Normen für Erwachsene enthält. Zusätzlich empfehlen die Testautoren die Lektüre des Grundlagenmanuals zu den Matrizentests von Raven6).
Copyright
J. C. Ravens Rechte an seinem Test wurden von Verlag zu Verlag weitergereicht und liegen heute international bei Pearson Assessment, in Deutschland vertreten durch die Pearson Assessment & Information GmbH in Frankfurt.
Testdurchführung
Die aktuellen Handbücher empfehlen die Durchführung der APM als zeitlich unbegrenzten Power-Test. Dabei dient Teil I dazu, das Aufgabenprinzip des Tests ausführlich (und nonverbal!) zu erklären. Der Test kann sowohl als Individual- wie auch als Gruppentest durchgeführt werden (wobei die Gruppengröße, speziell bei klinischen Anwendungen, auf wenige Personen begrenzt bleiben sollte). Die Testdurchführung dauert unter 10 Minuten für Teil I und etwa 40 Minuten für Teil II, kann aber im Einzelfall auch viel länger dauern.
Im Gegensatz zu den SPM, bei denen wegen der inhomogenen Schwierigkeitsanordnung der Aufgaben immer von einer zeitlimitierten Vorgabe abgeraten wird, lassen sich die APM prinzipiell auch als zeitbegrenzter Test vorgeben. Allerdings beziehen sich die weiter unten dargestellten Normen auf die unlimitierte Vorgabe.
Testrohwerte
Testrohwert ist die Anzahl richtiger Lösungen in Teil II der APM. Der Wertebereich geht von 0 bis 36.
Verteilungseigenschaften der Rohwerte
siehe ausführliche Testdokumentation
Linearisierung der Messskala
Von Beginn an wurden Normen für die Raven-Tests als Prozentränge angegeben. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass die Beziehung zwischen Rohwerten und IQ-Werten nicht linear ist. Auf Grund der vorliegenden Prozentrangnormen ist die Umrechnung in lineare Leistungswerte über die Beziehung zwischen Prozenträngen und Einheiten der Normalverteilung formal einfach.
Normuntersuchungen
siehe ausführliche Testdokumentation
Linking von SPM und APM
siehe ausführliche Testdokumentation
Beurteilung der Normuntersuchungen
siehe ausführliche Testdokumentation
Metaanalytische Zusammenfassung der Normen
siehe ausführliche Testdokumentation
Leistungs- und Altersnormen im Überblick
siehe ausführliche Testdokumentation
Diskussion
Anwendungsbereiche von SPM, APM und CPM
Aus den vorliegenden Daten lassen sich recht klare Empfehlungen ableiten, wann welche Version der Progressiven Matrizen am besten anzuwenden ist. Abbildung 6 zeigt die Rohwerte von SPM, APM und CPM auf der Leistungswertskala. Dabei liegen der Umrechnung von Roh- in Leistungswerte bei SPM und APM die metaanalytisch gewonnenen Normen in TDB2Online zugrunde. Bei den CPM wurden die CPM-Rohwerte zunächst in SPM-Rohwerte umgerechnet, und zwar nach einer in den meisten Raven-Manualen angegebenen Umrechnungstabelle von Andrich und Dawes (zum Beispiel in Tabelle 11, Seite 62, des deutschen SPM-Manuals7)). Die so gewonnenen SPM-Rohwerte wurden dann wie normale SPM-Rohwerte in Leistungswerte verwandelt.
Abbildung 6: Rohwertpunkte von SPM, APM und CPM auf der Leistungswertskala
Jeder Punkt in den Kurven entspricht einer Rohpunktsumme. Betrachtet man zunächst nur den maximalen Wertebereich, der bei APM und CPM von 0 bis 36, bei SPM von 0 bis 60 geht, dann lassen sich mit den SPM Leistungswerte von 57 bis 131 messen, mit den APM solche von 64 bis 135 und mit den CPM solche von 57 bis 118. Allerdings muss man auch die Differenzierungsfähigkeit der Tests im Auge behalten. Je enger der horizontale Abstand der Punkte an einer Stelle ist, desto feiner kann der Test an dieser Stelle messen (einfach durch die Rohwertdichte bestimmt).
Vergleicht man in dieser Hinsicht SPM und APM, dann lässt sich ein Vorteil für die APM etwa ab einem LW von 105 erkennen, mit zunehmender Tendenz bei den hohen Leistungswerten. Zwischen 90 und 105 gibt es keinen Unterschied in der Differenzierungsfähigkeit, unter 90 messen die SPM feiner. Im klinischen Umfeld wäre eine Einsatz der APM also dann zu empfehlen, wenn man verlässliche Vorinformationen darüber hat, dass jemand mindestens durchschnittliche Leistungen (absolut gesehen, also Leistungswerte) in solchen Aufgaben erreichen wird. In den üblichen klinischen Untersuchungssituationen empfehlen sich daher wohl meistens eher die Standardmatrizen, zumal eine genauere Differenzierung im oberen Leistungsbereich eher selten zu den Fragestellungen gehören dürfte.
Vergleicht man die SPM mit den CPM, dann muss man feststellen, dass es bei Erwachsenen eigentlich an keiner Stelle eine wirklich bessere Differenzierungsfähigkeit für die CPM gibt, allerdings eine deutlich schlechtere oberhalb von Leistungswerten ab etwa 65. Die CPM sind deshalb bei Erwachsenen nur sehr selten angebracht.
Literatur